Tesla vor Gericht: Anwälte nennen enttäuschend geringe Auto-Lebenserwartung
Das Landesgericht Darmstadt urteilt: Tesla muss sein Model 3 zurücknehmen. Ein Tesla-Kunde ist von seinem Model 3 enttäuscht und klagt auf Erstattung des Kaufpreises. Vor Gericht argumentieren die Anwälte des US-Unternehmens mit einer besorgniserregend niedrigen Batterielebensdauer. Jetzt fragen sich viele Tesla-Besitzer: War das Verhandlungsstrategie oder entsprechen die niedrigen Kilometerzahlen der Wahrheit? Das Landgericht Darmstadt (LG) hat entschieden: Tesla muss einem deutschen Kunden rund 67.000 Euro zurückerstatten und dessen Model 3 zurücknehmen, da das eingebaute Paket für den autonomen Fahr-Assistenten Fehler aufweist. Unter anderem soll der Stromer beim automatischen Spurenwechsel "wie ein betrunkener Fahranfänger" über die Fahrbahn geschlenkert sein. Laut Aussage des Klägers erkennt das System weder Stoppschilder noch Ampeln, zudem funktioniere das Überholen auf der Autobahn nicht wie vom Hersteller versprochen. Zunächst forderte der verärgerte Tesla-Kunde den Autobauer zur Mängelbeseitigung auf. Da Tesla keine Anstalten unternahm, der Aufforderung Folge zu leisten, trat er Mitte Juni 2020 von seinem Kaufvertrag zurück und die Situation landete vor Gericht, wie Legal Tribune Online berichtet. Tesla-Anwälte argumentieren mit schockierend niedriger Lebenslaufleistung In der Verhandlung brachten die Anwälte des amerikanischen E-Auto-Unternehmens ihre Argumente vor, warum Tesla das Auto nicht zurücknehmen müsse: Für die Erkennungssoftware von Verkehrsschildern und Ampeln sei der Einbau eines HW-3-Computers nötig, das Model 3 des Klägers sei jedoch nur mit der Version HW 2.5 ausgestattet. Sobald die entsprechende Software in Deutschland verfügbar sei, würde sie zum Einbau bereitstehen. Aus Sicht der Tesla-Anwälte bestünde sowohl ein gültiger Kaufvertrag für das Fahrzeug, als auch ein separater Softwarevertrag – Mängel lägen in beiden Fällen nicht vor. Außerdem läge die Lebenslaufleistung eines Teslas lediglich zwischen 250.000 und 300.000 Kilometern. Eine kuriose Aussage von den Tesla-Anwälten, bedenkt man, dass Elon Musk die Lebensdauer seiner E-Autos mit rund 800.000 Kilometern beziffert und jetzt auch Fälle von Model-3-Fahrern (Marktstart: 2019) bekannt werden, die die 500.000-Kilometer-Marke ohne Probleme überschritten haben.
Gericht lässt Argumentation von Tesla nicht durchgehen
Es ist zu vermuten, dass die Schockaussage der Tesla-Anwälte eine strategische Entscheidung war: Die Lebenslaufleistung hat großen Einfluss auf die vom Gericht ermessene Nutzungsentschädigung für die bereits gefahrene Strecke – und letztendlich auf die Summe, die der Kunde zurückerstattet bekommt.
Zum Pech für Tesla stimmte das Gericht nicht mit der Argumentation seiner Anwälte überein. Anders als die Verteidigung argumentierte, erkannte das Landgericht Darmstadt den Kauf von Software und E-Auto als einen zusammengehörenden Kaufvertrag an. Dass das Paket "Volles Potenzial für autonomes Fahren" erst später dazu gekauft wurde, spiele dabei keine Rolle.
Hinsichtlich der Batterie-Lebensdauer bezog sich das Gericht auf die bereits erwähnte Aussage Elon Musks, nach der seine aktuellen Akkus um die 800.000 Kilometer halten sollen. Daraus resultiert nur eine geringe Nutzungsentschädigung für die vom Kläger bisher zurückgelegten Kilometer. Somit könne der enttäuschte Tesla-Kunde insgesamt vom Kauf zurücktreten.
Fragen zur tatsächlichen Akku-Lebensdauer bleiben offen
Die Argumentation, Teslas Batterien hielten nur zwischen 250.000 und 300.000 Kilometern, kann im Fall des Gerichtsverfahrens zwar als strategische Entscheidung gesehen werden. Verwirrend ist sie dennoch, denn auf eine feste Aussage oder Garantie lässt sich Tesla bisher – trotz Musks 800.000-Kilometer-Versprechen – nicht festnageln.
Den aktuellen Reichweitenrekord hält ein deutscher Tesla-Besitzer: Hansjörg-Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg schaffte es bereits im Oktober 2021 auf 1,3 Millionen Kilometer - mit seinem Model S, Baujahr 2014. Eine beeindruckende Leistung, zu der sogar Tesla-Chef
Elon Musk persönlich via Twitter gratulierte.
Erwähnenswert ist jedoch, dass er seine Batterie auf dem Weg zum Rekord dreimal austauschen ließ: Bei 290.000, 540.000 und 1,2 Millionen Kilometern habe er den Akku auswechseln lassen - auf Kosten von Tesla. Zudem habe er den Elektromotor fünfmal austauschen lassen. Auch hier lässt sich also keine konkrete Aussage zur Akku-Lebensdauer treffen.
Bei der Vorstellung der 4680-Batterie warteten viele Tesla-Fans darauf, dass die Gerüchte um eine angeblich eine Millionen Meilen (ca. 1,6 Millionen Kilometer) umfassende Lebenslaufleistung bestätigt würde. Anstatt eine klare Aussage zu treffen, ließ Tesla während der Präsentation den Song "Honey Bee" von Don Hinton im Hintergrund erklingen.
Darin kommt die Textstelle "walk a million miles" vor. Laut
Tesmanian sei dies eine Andeutung auf die erhoffte Lebensdauer der Akkus. Sehr poetisch, aber leider wieder einmal keine solide Aussage, auf die sich Tesla-Kunden im Fall von Problemen berufen können.
Urteil um Autopilot mit Sprengkraft
Zurück zum eigentlichen Gegenstand des Gerichtsurteils: Dass das Gericht dem Kläger die Rückerstattung des Kaufpreises zugestand, ist für Tesla eine echte Bedrohung. Wer ein Tesla Model 3 oder Y heute mit der 7.500 Euro teuren Option "Volles Potenzial für autonomes Fahren" kauft, der erhält eine Ausstattung mit Software-Assistenten, das auf deutschen Straßen nicht mit den Systemen anderer Hersteller konkurrieren kann. Die adaptive Geschwindigkeitsregelung zum Beispiel ignoriert Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen. Im Vergleich zur "Full Self Driving"-Software, die Tesla in den USA einsetzt, und die im Beta-Test-Betrieb tatsächlich weitgehend autonom agieren kann, bleiben die Fähigkeiten der europäischen Autos meilenweit zurück. Enttäuschte Kunden können jetzt zuhauf auf eine Erstattung des Kaufpreises klagen.
https://efahrer.chip.de/news/tesla-...aeuschend-geringe-auto-lebenserwartung_108868